Juri Andruchowytsch: Euromaidan

»Ich gehe auf den Maidan. Wer kommt mit?«, schrieb der ukrainische Journalist Mustafa Najem im November 2013 auf Facebook. Aus einer lokalen Demonstration gegen die autokratische Entscheidung des Präsidenten Viktor Janukowytsch, das Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen, wurde eine landesweite Protestbewegung: der Euromaidan. Mehr als hundert Menschen wurden getötet, als der friedliche Protest in Gewalt umkippte. Ein halbes Jahr später ist in der Ukraine nichts mehr, wie es war. Nach dem Sturz des korrupten Regimes nutzt der russische Präsident Vladimir Putin die Fragilität der Übergangsregierung aus und lässt seine Armee ins Nachbarland einmarschieren. Während eine reife ukrainische Zivilgesellschaft die Bildung neuer staatlicher Strukturen bewacht, schwört der Kreml die Bürger auf einen nationalistischen imperialen Kurs sein. »Euromaidan« steht für die Hoffnung auf Erneuerung der ukrainischen Gesellschaft. Für eine nachgeholte Revolution. Für den Alptraum eines neuen Ost-West-Konflikts. Wird es sie geben: eine freie, selbstbestimmte Ukraine an der Seite Russland und Europas? Schriftsteller, viele von ihnen Aktivisten, erzählen von den aufwühlendsten Tagen ihres Lebens. Historiker, Soziologen und Politikwissenschaftler versuchen sich an einer Anatomie des Augenblicks.

edition suhrkamp, € 14,00

Olga Shparaga: Die Revolution hat ein weibliches Gesicht

Minsk im Sommer 2020. Eine junge Frau im ärmellosen weißen Hemd tänzelt vor einer schwarzen Mauer aus martialisch vermummten Sondereinsatzkräften: Bilder wie diese gingen um die Welt. Der Brutalität des Regimes setzen Hunderttausende mutige Bürgerinnen und Bürger aller gesellschaftlicher Schichten Gewaltfreiheit, kreative Vielfalt und dezentrale Selbstorganisation entgegen. Was sich seit den Präsidentschaftswahlen am 9. August 2020 in Belarus abspielt, geht über eine regionale Protestbewegung gegen gefälschte Wahlen weit hinaus. In Minsk und vielen anderen Städten des weithin unbekannten Landes zwischen Russland und der EU wird Geschichte geschrieben. Weiblich, friedlich, postnational – so charakterisiert die Autorin die Umwälzung in ihrem Land und stellt die Ereignisse in den Kontext europäischer und globaler Emanzipationsbewegungen.

edition suhrkamp, € 13,00

Karl Schlögel: Entscheidung in Kiew

Karl Schlögel beweist mit dem Titel ‚Entscheidung in Kiew: Ukrainische Lektionen‘ erneut, dass er der Kenner Osteuropas und seit vielen Jahren in der Ukraine unterwegs ist. Er zeigt uns, dass man auf die Städte der Ukraine schauen muss, wenn man wirklich wissen will, was in Europa gerade passiert. Darunter zählen unter anderem Lemberg, Odessa, Czernowitz, Kiew, Charkiw und Donezk. All diese Namen stehen für einst blühende Städte, für eine Kultur von eigenem Rang. Doch mit dem Krieg ist eine Kontroverse über die politische und kulturelle Eigenständigkeit des Landes und seiner Städte ausgebrochen. Selbst in der unruhigen jüngsten Zeit hat Schlögel Reisen in die kulturell vielfältige Ukraine unternommen. Er führt mit seinen Städtebildern dem Leser vor Augen, was gar nicht fern von uns auf dem Spiel steht.

Fischer Taschenbuch, € 12,99

Gabriele Krone-Schmalz: Russland verstehen

Wie ist es um die politische Kultur eines Landes bestellt, in dem ein Begriff wie „Russlandversteher“ zur Stigmatisierung und Ausgrenzung taugt? Muss man nicht erst einmal etwas verstehen, bevor man es beurteilen kann?

Gabriele Krone-Schmalz bietet in diesem Buch eine Orientierungshilfe für all jene, denen das gegenwärtig in den Medien vorherrschende Russlandbild zu einseitig ist. Antirussische Vorbehalte haben in Deutschland eine lange Tradition und sind in zwei Weltkriegen verfestigt worden. Auch in der Ukraine-Krise lässt sich ihre Wirksamkeit beobachten. Tatsächlich ist aber nicht nur das Verhältnis zwischen Russland, dem Westen und der Ukraine vielschichtiger, als es der Medien-Mainstream suggeriert, sondern auch die russische Geschichte seit dem Ende des Kalten Krieges. Demokratie und Menschenrechte verbreiten – wer möchte das nicht. Es lässt sich aber sehr wohl über das Tempo und über die Methoden streiten. Und es lässt sich fragen, welche Interessen der Westen unter dem Deckmantel einer Menschenrechtsrhetorik verfolgt.

Verlag C. H. Beck, € 14,95

Andreas Kappeler: Ungleiche Brüder

Russen und Ukrainer bezeichnen sich seit Jahrhunderten als Brudervölker, wobei sich die Russen in der Rolle des großen Bruders sehen. Dieses Buch erzählt die Geschichte dieser ungleichen Brüder als Wechselspiel von Verflechtungen und Entflechtungen. Nicht zuletzt trägt es zum Verständnis des aktuellen russisch-ukrainischen Konflikts bei.
Die russische Annexion der Krim und die darauf folgende Besetzung der Industrieregion im Südosten der Ukraine durch von Russland gesteuerte Milizen im Frühjahr 2014 haben einen militärischen Konflikt zwischen diesen Staaten ausgelöst, der bis heute andauert. Seit dem 18. Jahrhundert zeigte sich im Verhältnis dieser eng miteinander verbundenen Völker zunehmend eine Asymmetrie. Sie gipfelte darin, dass Russland im 19. Jahrhundert die „Kleinrussen“, wie die Ukrainer damals offiziell hießen, nicht als eigenständige Nation mit einer von Russland getrennten Geschichte anerkannte. Diese Sicht hat sich in Russland bis heute erhalten und ist auch im Westen verbreitet.

C.H. Beck 2022, € 16,95

Kerstin S. Jobst: Geschichte der Ukraine

Seit dem Beginn der Ukraine-Krise im Herbst 2013 wendet Europa dem nationalen Projekt der Ukrainer – aus leidvollen Gründen – hohe Aufmerksamkeit zu. Dabei besteht eine bezeichnende Geringschätzung gegenüber dem Anspruch der Ukraine und ihrer Bürgerinnen und Bürger auf Integrität ihrer staatlichen Grenzen und auf nationale Selbstbestimmung ebenfalls leider partiell noch immer. Diese Geschichte der Ukraine erklärt die Wurzeln der ukrainischen Nationalität und verfolgt sie in aktualisierter Neuauflage bis in die unmittelbar heutigen Konflikte.

Reclam RUB 2015, € 7,60

Andreas Kappeler: Kleine Geschichte der Ukraine

Dieses Buch informiert über die wichtigsten Ereignisse und Zusammenhänge der ukrainischen Geschichte. Es setzt der vorherrschenden russozentrischen Perspektive eine ukrainische gegenüber und überprüft gleichzeitig kritisch ukrainische nationale Mythen. Dabei wird nicht nur die Geschichte der Ukrainer vom Mittelalter bis zur Gegenwart dargestellt; auch die Geschichte der in der Ukraine lebenden Polen, Russen, Juden und Deutschen wird berücksichtigt.

C. H. Beck, € 17,95

Timothy Snyder: Bloodlands

Vierzehn Millionen Menschen wurden in den Bloodlands ermordet, den Territorien, die zwischen 1933 und 1945 unter deutscher oder sowjetischer Herrschaft gestanden haben: Polen, Weißrussland, die Ukraine, die baltischen Staaten. In dieser Region ließen die Sowjets Millionen verhungern, deportieren, erschießen, drangsalierten ab Herbst 1939 die Bevölkerung im russisch besetzten Teil Polens und ermordeten einen großen Teil der Elite. Hier wüteten die deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg mit Unterdrückung, Zwangsumsiedlungen, dem vorsätzlichen Aushungern der Kriegsgefangenen, hier ermordeten sie sechs Millionen Juden aus ganz Europa.

»Nirgendwo ist der Horror der ukrainischen Hungersnot, der Deportationen und des Massenterrors packender und ergreifender beschrieben worden.« Jörg Baberowski.

»Eine nuancierte, originelle und eindringliche Analyse der europäischen Killing Fields zwischen Deutschland und Russland.« Timothy Garton Ash.

»Bloodlands wird für Jahrzehnte das wichtigste Buch zum Thema sein.« Tony Judt.

dtv 2013, € 16,90

Anne Applebaum: Roter Hunger

Der gegenwärtige Konflikt um die Ostukraine und die Krim ist ohne diese historische Last nicht zu verstehen – der erzwungene Hungertod von mehr als drei Millionen Ukrainern 1932 und 1933, Holodomor genannt, war eine der größten Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Und sie hat Folgen bis heute – Stalins „Krieg gegen die Ukraine“ hat sich tief im kollektiven Bewusstsein der osteuropäischen Völker verankert.

Pulitzer-Preisträgerin Anne Applebaum vereint in ihrer Darstellung auf eindrückliche Weise die Perspektive der Täter und jene der Opfer: Sie zeigt Stalins Terrorregime gegen die Ukraine, die Umstände der Vernichtungspolitik – und verleiht zugleich den hungernden Ukrainern eine Stimme. Ein gewaltiges Buch, erschütternd und erhellend zugleich.

Siedler Verlag 2019, € 36,00