Als Buchhändler würde man ja eigentlich niemals einen Arztroman lesen. Als aber „Arztroman“ von Kristof Magnusson auf den Lesetisch kam, gab es kein Halten mehr.
Kristof Magnusson bevorzugt, wie er in seinen bisherigen Romanen „Das war ich nicht“ und „Zuhause“ gezeigt hat, das unterhaltende Element; schon die Wahl des Titels zeugt davon, dass er keine Angst davor hat, in die falsche Gesellschaft von Heftchenromanen zu geraten. Im Gegenteil: Der Titel spielt bewusst mit dieser Assoziation.
Anita Cornelius ist Notärztin an einem großen Berliner Krankenhaus und liebt ihren Beruf. Sich auf unerwartete Situationen einzustellen, entspricht ihrem Temperament. Trägt sie ihre Jacke mit der Aufschrift NOTARZT, zieht sie damit eine unanzweifelbare Autorität über, schneidet Verkehrsopfer aus Unfallwagen, reanimiert Bodybuilding-Greise im Fitness-Studio, klaubt verwahrloste Männer aus Gartenlauben, rettet Leben.
Adrian, ihr Exmann, ist Arzt am selben Krankenhaus. Sie haben sich erst vor kurzem in bestem Einvernehmen getrennt, und Lukas, ihr vierzehnjähriger Sohn, lebt bei seinem Vater und dessen neuer Freundin Heidi.
Hätte Anita Adrian nicht zufällig bewusstlos auf der Krankenhaustoilette gefunden, zugedröhnt mit einem Narkosemittel, und hätte Heidi nicht dauernd diese flotten Sprüche losgelassen, dass jeder seines Glückes Schmied ist, dass Arme und Kranke oft genug selbst an ihrem Zustand schuld sind, dann könnte sich Anita weiter vormachen: alles ist in bester Ordnung. Ist es aber nicht. Weder privat noch beruflich.
Kristof Magnusson erzählt mit akribisch recherchiertem Realismus und empathischem Humor einen „Arztroman“, dessen spröde Heldin die Doktoren aus Schwarzwaldkliniken und Emergency Rooms ziemlich leblos aussehen lässt. Und er erzählt witzig und unterhaltend aus dem Leben einer Frau Anfang vierzig, die mehr will als Routine und »schöner Wohnen«.
So ist Kristof Magnusson ein Roman gelungen, der in diesem Jahr ein bis zwei guten Romanen keine Chance mehr geben wird, da der „Arztroman“ noch mindestens zweimal gelesen werden möchte.
Kristof Magnusson, geboren 1976 in Hamburg, lebt als Autor und Übersetzer aus dem Isländischen in Berlin. Sein Debütroman „Zuhause“ (2005) wurde mit dem Rauriser Literaturpreis ausgezeichnet, sein Roman „Das war ich nicht“ war ein Bestseller. Detlev Bucks Verfilmung seiner Komödie „Männerhort“ kommt im Oktober in die Kinos.