Lesung in der Brasserie und Restaurant V, Klosterstr. 4
22. August 2009, 20.°° Uhr
Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus Schleswig-Holstein im Rahmen des Literatursommers Schleswig-Holstein 2009 (gefördert durch die Robert Bosch Stiftung)
Kuba Dernicki ist ein glücklicher Mensch. Er hat Arbeit und Familie und lebt seit vielen Jahren im Paradies, in Deutschland.
Doch eines Tages treibt ihn eine starke Sehnsucht zurück nach Polen, in die alte Heimat, an die Stätten seiner Kindheit, an den Dadajsee. In eine wunderschöne Landschaft, bevölkert von überaus eigenwilligen Menschen, die mit List, Humor und Wodka überleben. Und die sich Geschichten erzählen, in denen die Toten, auch wenn sie nicht katholisch sind, wiederauferstehen.
Wie Marta, Kubas junge Geliebte, die vor vielen Jahren auf der Flucht vor kommunistischen Häschern im eiskalten Dadajsee ertrunken ist – und die in der Hoteldirektorin Justyna Star (einer Doppelgängerin?) weiter lebt, schön und begehrlich, wie damals. Kein Wunder, daß Kuba sich in Justyna verliebt und daß von nun an ein ganzes Dorf verrückt spielt, der Bürgermeister Król wie der Pfarrer Kazimierz, die einäugige Tante Ala wie Wojtek, ihr Galan. Und in deren Mitte taumelt Kuba, den ein sprechendes Messer begleitet, von Augenblick zu Augenblick, hinein ins Herz der Erinnerung.
„Das Themenarsenal wird auf banalem Terrain abgehandelt. Gegenwartsgeschehen in einem polnischen Dorf. Denkt man zunächst. Dann stellt man fest, daß man auf einem philosophischen Zwischenboden steht, unsicher, was über, was unter einem geschieht, zur gleichen Zeit; oder geschah, zu anderen Zeiten, aber gleichzeitig wieder sichtbar wird. Wohin ist man lesend geraten?…
Diese spinnwebfeinen Netze religiöser und philosophischer Natur, filigrane Diskurse, deren Sinn und Zweck es ist, die Matrix der Illusion zu kartographieren, legen sich über den banalen Alltag in Wilimy, der geprägt ist von blöden Hochzeiten, versoffenen Zusammenkünften, kurzweiligen Trieben und dem Räuchern der Fische. Manchmal reißt ein Netz über oder unter dem derben Geschehen, den unflätigen Reden oder unzüchtigen Anträgen, und es wird nie klar, auf welche Weise der Autor es wieder flickt: so kunstvoll verschlungen ist das erneut vertäute Garn…
Was für ein Roman! Was für ein Erzähler! Was für eine unglaubliche Geschichte!“
(Barbara Bongartz, Junge Welt)
Artur Becker ist selbst ein Grenzgänger zwischen Polen und Deutschland. Wie seine Hauptfigur stammt der Erzähler aus Masuren. Er debütiert 1984 in Polnisch mit einem Lyrikband. Seit 1985 lebt er in Deutschland. 1989 wechselt er seine literarische Sprache und schreibt seitdem auf Deutsch. Mit „Wodka und Messer. Lied vom Ertrinken“ hat Artur Becker der masurischen Landschaft und ihren Menschen ein Denkmal gesetzt.
„Die Emigration ist eine Fünfstufenrakete“, schreibt Artur Becker in „Wodka und Messer“. „Eins – man flieht; zwei – man gewöhnt sich; drei – man vergisst; vier – man erinnert sich; fünf – man will zurückkehren, aber es geht nicht mehr.“ – „Wer Beckers Bücher liest, muss glauben, dass sich der polnischstämmige Autor, der mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgezeichnet wurde, selbst in Stufe fünf befindet. Denn seine Romane handeln von Menschen, die nach langer Emigration ihrer Sehnsucht erliegen und in die alte Heimat zurückkehren.“ (FAZ)
Man solle ihn aber nicht „deutsch-polnischer Autor“ nennen, sagt Becker, „ich bin polnischer Autor deutscher Sprache.“ Das sei für viele Deutsche schwer zu verstehen, sagt er, „aber ich kann es nicht ändern.“